Fake News Versicherungswesen


Im TV haben die aber gesagt…. Tja, stimmt das immer? Nein, leider nicht.

ZDF WISO berichtet über die Absicherung der Erwerbsunfähigkeit. Der 4:51 Minuten lange Beitrag strotzt vor Fehlern. Von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarte ich mehr Sorgfalt bei der Recherche. Das „beste“ ist dabei aber noch die Reaktion von WISO auf meine Kritik zum Unfallbeitrag.

Fake News Versicherungsrecht

Aber lesen Sie selber:

Edit: 12.12.2016, WISO hat das Video aus der Mediathek genommen. Glückwunsch zur guten Entscheidung! 

Fehler Nr. 1 ist, dass die Unfallversicherung als Alternative zur Absicherung gegen Berufsunfähigkeit vorgestellt wird. Streng genommen hat die Unfallversicherung in dem Beitrag nichts verloren, weil es bei diesem Vertrag eben nicht um die Absicherung der Arbeitskraft geht. Die Bemessung der Invalidität erfolgt nämlich ausschließlich aufgrund funktioneller Gesichtspunkte. Berufs- oder Hobbystatus bleibt völlig außen vor. Das heißt der Pianist, der einen Finger verliert bekommt genauso viel Entschädigung, wie der Maurer. Manche Berufsgruppen können spezielle Gliedertaxen abschließen, so dass die Entschädigung da höher ausfällt und es dabei dann indirekt schon einen beruflichen Aspekt gibt. Das gilt aber eben nicht für die Masse. Sicherlich ist die Unfallversicherung als Ergänzung zur BU oder eben auch als Alternative eine Möglichkeit, wenn eben gar keine Absicherung mehr geht. Dem Verbraucher muss dann aber klar sein, dass es nur eine Ausschnittsdeckung ist. Deshalb würde ich bei diesem Fehler auch ein Auge zudrücken.

Bei Fehler Nr. 2 stehen mir allerdings die Haare zu Berge. Dort heißt es wörtlich:

Ist der Unfall etwa selbst verschuldet, kann die Versicherung in der Regel die Zahlung verweigern.

Nein, kann sie nicht. Weder in der Regel, noch ausnahmsweise.

Der Unfallbegriff ist eindeutig und sogar gesetzlich geregelt. (§ 178 VVG Abs. 2)

Dort heißt es: 

Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

Selbstverständlich ist diese Definition bei allen Versicherern gleich, ist ja nun einmal Gesetz. Es gibt einige Versicherer, die den Begriff noch erweitern. Weniger geht aber nicht.

Wo steht da jetzt bitte, dass nur bei fremd verschuldeten Unfällen geleistet wird? Richtig: Nirgendwo.

Wer ist eigentlich schuld daran, wenn ich eine Treppenstufe übersehe, falle und mir den Arm breche? Hm… mal nachdenken. Ja, ich selbst. Und nach ZDF WISO und zwei befreundeten Versicherungsmaklern, gäbe es dann kein Geld von der Unfallversicherung. Das ist Blödsinn.

Und hier mal die twitter Reaktion von WISO:

Twitter tweet unfallversicherung

Weia. Das ist wirklich schlimm. Aber es sind ja Journalisten und keine Versicherungsexperten. WENN sich aber dann Experten melden und darauf hinweisen, dass da was falsch war, sollte man vielleicht kleinere Brötchen backen und mal jemanden fragen, der wirklich Ahnung hat, anstatt selbst in der „gefühltes Recht“-Kiste zu kramen.

Auch Versicherungsmakler Matthias Helberg hat sich in die Twitter-Diskussion eingeschaltet. Dieser wird sicherlich noch den restlichen Beitrag zum Thema BU zerpflücken, das ist nämlich auch schlimm.

Dieser bekommt folgende Reaktion:

Twitter Unfallversicherung WISO

Ach sooooooo. Zwei Versicherungsmakler sogar. Nicht einer. Zwei. Wer keine Ahnung hat, sollte – frei nach dem guten Dieter Nuhr – „einfach mal die Fresse halten“.

Liebe Leser: Es gibt ganz viele fähige Versicherungsmakler in Deutschland. Leider haben TV-Anstalten sehr oft kein gutes Händchen.

Fehler Nr. 3 

„Außerdem sind psychische Erkrankungen oder Bandscheibenvorfälle nicht abgedeckt“

Das ist so auch nicht richtig. Natürlich kann man in einem kurzen Zeitfenster nicht alle „wenn“ und „aber“ darstellen. Nichts desto trotz kann man auch in Kürze korrekte Informationen verbreiten. Das kleine Wörtchen „oft“ hätte hier schon gereicht, um aus einem falschen Satz einen korrekten zu machen.

Liebes WISO-Team. Übernehmt ihr die Haftung dafür, dass jemand mit berechtigtem Anspruch nun nicht bei seiner Unfallversicherung meldet, weil er bei euch gehört hat: Da gibt es eh nix?

Nein, machen sie nämlich nicht.

Deshalb: Bitte nicht alles glauben, was im TV gezeigt wird!

Edit: 07.12.2016; es bleibt spannend:

Twitter ZDFWISO

Edit: 08.12.2016:

Viele Leute haben WISO aufgezeigt, dass der Bericht falsch ist. Versicherungsvermittler, Rechtsanwälte & Versicherungsunternehmen. Alle waren und sind einhellig der Meinung:

Ja, die Unfallversicherung zahlt sehr wohl bei selbstverschuldeten Unfällen.

WISO Twitter tweets

Und WISO? Betretenes Schweigen, statt Feedback.


Edit II, 08.12.2016

Juchu, sie haben es doch noch getan und richtig gestellt:

WISO Stellungnahme

Ich hoffe, dass die Redakteure etwas aus dem Fall gelernt haben und künftig sensibler mit der Informationsübertragung zu Versicherungsthemen umgehen. Es ist klar, dass Versicherungsthemen für Verbraucher kurz, interessant und laienverständlich aufgearbeitet werden müssen. Deshalb kann man da oft nicht so sehr ins Detail gehen, wie man eigentlich müsste.

Dennoch muss das Ganze richtig bleiben und das Austauschen von Worten, pauschale Aussagen und das Weglassen bestimmter Schlüsselinformationen haben halt Folgen für die Kernaussage der Information.

Weitere „Fakenews“ Entdeckungen Versicherungsrecht:

Fehlinformationen Internet Versicherungsrecht

50 Shades of Blödsinn

Fehlberatungen Versicherungsrecht


Angela Baumeister

gebürtige Düsseldorferin, mit Leib und Seele seit 2009 in eigener Kanzlei als Rechtsdienstleisterin (Versicherungsberaterin) tätig. Schwerpunkte: Berufsunfähigkeit Rentenanspruch und Invalidität. Weitere Infos? Gerne: Mehr über Angela Baumeister erfahren Oder anrufen: +49 (0)2154 9534770

7 Comments

Norbert Göttlich · 7. Dezember 2016 at 07:26

Guten Morgen,

es gibt auch viele gute Vermittler in der Ausschließlichkeit, werte Frau Baumeister. Aber der Bericht ist trotzdem sehr gut. Man macht es uns wahrlich nicht einfach im TV. Aber dieses Problem hat WISO auch bei nicht so komplexen Themen. Ich wünsche einen charmanten Tag.

Norbert Göttlich Gothaer Versicherungen

    Angela Baumeister · 7. Dezember 2016 at 07:52

    Guten Morgen,
    das ist natürlich völlig richtig. Es gibt auch viele gute Vermittler in der Ausschließlichkeit. In diesem Beitrag hatte ich mich nur auf die Versicherungsmakler bezogen, weil es ja genau diese Berufsgruppe war, die WISO „beraten“ hat.
    Ich wünsche ebenfalls einen tollen Tag!
    Angela Baumeister

      Reinhard Durchholz · 7. Dezember 2016 at 11:04

      Bei der „Qualität“ der Berichterstattung bin ich mir nicht sehr sicher wer WISO angeblich „beraten“ hat. Es stellt sich für mich die Frage „kann WISO überhaupt zwischen Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler unterscheiden – oder, wie lautet die Definition von Versicherungsmakler bei WISO?

        Angela Baumeister · 7. Dezember 2016 at 11:41

        Das ist auch eine berechtigte Frage. Möglich ist natürlich auch, dass es ein sog. „Versicherungsmakler von der Pfefferminzia“ war 😉 Die Unterscheidungsproblematik wäre nicht neu.

Hubert Gierhartz · 7. Dezember 2016 at 10:55

Nicht nur bei dem Thema Berufsunfähigkeit liegt WISO oft daneben. Dehalb habe ich mich schon häufiger beim ZDF beschwert. Es wird oberflächlich über Versicherungen berichtet, und als Experten werden immer wieder die Verbraucherschützer hinzu gezogen. Natürlich wird dann auch die Empfehlung ausgesprochen sich an die die Verbraucherschützer zu wenden, und sich beraten zu lassen. Makler/Vermittler werden aussen vorgelassen, denn deren Fokus ist ausschließlich auf die Provision gerichtet. Es stellt sich die Frage, die ich auch schon an den Intendanten gestellt habe, ob der gebührenpflichtige Zuschauer keinen Anspruch auf eine optimale Informatoen in Sachen Versicherung hat. Leider Fehlanzeige. Allerdings sollten die Vermittler einmal darüber nachdenken, ob mannicht gegen die öffentlich rechtlichen Anstalten vorgehen sollte. Schließlich sind wir auch zwangsverpflichtete Gebührenzahler, und müssen unsere Mitbewerber (Verbraucherschützer ) nicht mit finanzieren. Der Einzelne ist aber hier machtlos.

    Angela Baumeister · 7. Dezember 2016 at 11:44

    Schlussendlich sehe ich immer zwei Seiten. Auf der einen Seite der Journalist, der wenig bis keine Ahnung von der Materie hat. Auf der anderen Seite derjenige, den er sich zur Beratung dazu holt.

    Wir werden keinen Einfluss nehmen können, wer genau gehört wird. Wir werden auch keinen Einfluss auf die Qualität desjenigen nehmen können. Und erst recht können wir keinen Einfluss darauf nehmen, wer schlussendlich empfohlen wird.

    Das, was wir aber machen können: Fehler öffentlich aufzeigen. In der Hoffnung, dass nächstes Mal jemand anderes befragt wird. Da ist dann aber die Gefahr vom Regen in die Traufe zu kommen groß. Leider.

      Peter Funke · 7. Dezember 2016 at 14:21

      Natürlich stehen die Journalisten ganz schön unter Strom. „Früher“ musste einmal am Tag eine Zeitung gefüllt werden, heute rufen Onlinemagazine etc. nach mehrfach täglichen Updates. Nur sollten sich die TV-Sender und Zeitungen Ihrer Verantwortung bewusst sein – gerade die Öffentlichen. Dann muss man eben vielleicht auch einfach mal selber lesen. Oder sich als Redaktion, die regelmäßig über eine bestimmte Branche berichten möchte, das Know How einkaufen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert