Gutachten Invalidität

Welcher Arzt ist am besten geeignet?


Gutachten Invalidität: Steht ein solches Gutachten an, fragen sich viele Versicherungsnehmer: Zu welchem Arzt schickt mich der Versicherer? Und mit was muss ich bei welchem Arzt rechnen?

Gutachten Invalidität
Welcher Arzt ist hierfür am besten geeignet? Behandelnder Arzt, Operateur, Klinikum oder Gutachteninstitut?

Zu meinem Beitrag über die Invaliditäts-Gutachten in der privaten Unfallversicherung wurde mir von einer Leserin folgende Frage zur Wahl des Arztes übermittelt:

Hallo Frau Baumeister,
ich hatte in 12/2016 eine Ruptur der Quadrizepssehnr. Nun über ein Jahr später bin ich nach wie vor mobil eingeschränkt.
Da es ein Arbeitsunfall war habe ich jetzt mit BG und PUV zu tun. Ich muss zu zwei unterschiedlichen Gutachtern. Die PUV möchte das Gutachten von meinem behandelnden D-Arzt und die BG von meinem damaligen Operateur.
Meine Frage ist: Ist das gut oder schlecht bei meinen behandelnden Ärzten zur Begutachtung zu gehen?
Sind nicht Gutachter besser, die mich noch nie zuvor gesehen haben? Die BG hat mir noch andere Gutachter vorgeschlagen, die PUV nur „meinen“ D-Arzt.
Viele Grüße KS

Hierzu meine Antwort:

Es gibt hierzu keine pauschale Antwort, denn jede Wahl hat auch ihre Vor- und Nachteile für den Versicherten. Bitte beachten Sie, dass diese Aufzählung einen groben Überblick bieten soll und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Mit jeder aufgeführten Berufsgruppe kann man überdies Glück oder Pech haben – es kommt natürlich immer auch auf die konkrete Person im Einzelfall an, so gibt es auch behandelnde Ärzte mit großem Erfahrungsschatz in der Begutachtung und faire Ärzte bei Gutachteninstituten.

a) Gutachten bei behandelndem Arzt

Vorteile:

  • Besonderes Arzt- / Patientenverhältnis, deshalb meistens wohlwollend dem Patienten gegenüber
  • Mit dem behandelnden Arzt kann man oft auch ganz gut reden, wenn eine Beurteilung nicht so ausfällt, wie erwartet oder man Änderungswünsche anbringen möchte
  • Er kennt Ihren Fall in der Regel am besten

Nachteile:

  • behandelnde Ärzte meinen es manchmal zu gut. Damit helfen sie ihren Patienten aber gar nicht. Unrealistische Einschätzungen wird kein Versicherer einfach so übernehmen
  • behandelnden Ärzten fehlt manchmal die Zeit/Lust sich solchen Gutachtenaufträgen zu widmen, weil der Praxisalltag schon auslastend genug ist und für diese „Bürokratie“ Freizeit geopfert werden muss. Das macht nicht jeder Arzt gerne
  • behandelnden Ärzten fehlt manchmal die Erfahrung für die Erstellung von Invaliditäts-Gutachten- und Einschätzungen zu Versicherungsfragen
  • Risiko von Gefälligkeitsgutachten – ja, auch wenn der Arzt Ihnen einen Gefallen mit dem Invaliditätsgutachten tun möchte, geht das leider oft nach hinten los, wenn die Bewertung völlig unangemessen ist

b) Gutachten bei Operateur

Vorteile:

  • ist relativ objektiv und neutral, da weder besonderes Arzt-/Patientenverhältnis, noch besonderes Verhältnis zum Versicherer besteht
  • kennt den Fall als Operateur gut
  • wird im Regelfall häufiger von Versicherungen befragt, so dass meistens ein gewisser Erfahrungsschatz in der Erstellung von Invaliditäts-Gutachten / Invaliditäts-Einschätzungen vorhanden ist

Nachteile:

  • Versuchen im Einzelfall den Invaliditätsgrad „nach unten“ zu drücken, um ihre eigene Arbeit hervorzuheben (nach dem Motto: Was ich operiert habe, ist gut geworden)
  • In Krankenhäusern (besonders in hoch frequentierten) werden auch neue, unerfahrenere Ärzte für diese Arbeiten abgestellt, die dann aber natürlich den Erfahrungswert eines langjährigen Klinikarztes nicht haben
  • Berichterstellung dauert oft sehr lange

c) Gutachten in Krankenhäusern / Kliniken (bisher unbeteiligt)

Vorteile:

  • kein Arzt-/Patientenverhältnis, kein besonderes Verhältnis zum Versicherer, daher recht objektiv und neutral – es gibt allerdings durchaus Klinikärzte, die versicherungsfreundlich sind und daher von Versicherern oft gewählt werden
  • Im Regelfall größerer Erfahrungsschatz in der Erstellung von Invaliditäts-Gutachten / Einschätzungen
  • Gerde bei multiplen Verletzungen / Erkrankungen gut geeignet, da im Regelfall (zumindest bei größeren Kliniken bzw. Unikliniken) alle Fachbereiche im Haus sind

Nachteile:

  • Gutachten dauern oft extrem lange – manchmal wartet man schon ewig auf einen Termin
  • Kennen den Patienten / den Fall nicht. Für umfangreiches Einlesen bleibt oft keine Zeit. Das kann gerade bei komplizierten Fällen nachteilig sein, wenn der Gutachter das erste Mal von Ihrem Fall hört/liest, wenn Sie ihm schon gegenüber sitzen
  • Auch hier werden oft unerfahrenere Ärzte abgestellt

d) Gutachten bei Gutachteninstituten

Vorteile:

  • arbeiten im Regelfall sehr zügig
  • sind spezialisiert auf die Erstellung von Gutachten, wissen also im Regelfall um was es geht
  • Gerde bei multiplen Verletzungen / Erkrankungen gut geeignet, da im Regelfall Kooperationen zu allen relevanten Fachgebieten bestehen oder hergestellt werden können
  • Die Gutachten sind oft so schlecht und unrealistisch, dass man gut dagegen vorgehen kann (das ist eigentlich nur ein indirekter Vorteil und mehr ein Nachteil, weil Sie sich dann damit rumquälen müssen)

Nachteile:

  • leben von den Aufträgen der Versicherer / Berufsgenossenschaften und sonstigen Behörden, sind daher tendenziell eher auftraggeberfreundlich
  • Risiko von Gefälligkeitsgutachten
  • arbeiten oft 08/15 mit Vorlagen und Mustergutachten, die dem Einzelfall gar nicht gerecht werden
  • viele dieser Institute sind schon gerichtsauffällig geworden wegen unfairer Bewertungen

Wer sucht den Gutachter aus?

Unabhängig von der Frage, welcher Arzt nun am besten geeignet ist, ist es nun einmal so, dass der Versicherer den Gutachter auswählen kann und wird. Natürlich kann man sich im Einzelfall, bei begründeten Bedenken, dagegen wehren. So muss z. B. niemand einer Begutachtung bei einem Operateur zustimmen, wenn gerade dieser die Operation verpfuscht hat. Natürlich muss auch niemand zu einem Gutachteninstitut, das schon gerichtsauffällig wurde.

Aber: Legt man veto gegen einen Gutachter ein, ist es so, dass man dann eine Alternative genannt bekommt und es durchaus möglich ist, dass man vom Regen in die Traufe kommt. Oder man schlägt selbst ein Klinikum vor und der Versicherer stimmt zu.

Es wird dann aber schwierig(er) gegen ein schlechtes Invaliditätsgutachten eines Alternativgutachters oder gar eines selbst vorgeschlagenen Klinikums/Gutachters vorzugehen. Dann muss man sich ggf vorhalten lassen „wir wollten Sie ja zum Gutachter X schicken“ oder „Sie haben doch den Gutachter selbst gewählt“. Dies im Übrigen auch wenn das Gutachten sehr lange dauert.

Veto gegen die Wahl des Gutachters einzulegen sollte also gut überlegt sein und nur ausnahmsweise erfolgen.

Möchten Sie Ihr Gutachten geprüft haben?

Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt zu mir auf und schildern Sie mir Ihren konkreten Fall. Ich werde dann von Ihnen einige Unterlagen anfordern, damit ich Sie über das entstehende Honorar informieren kann. Erst wenn Sie mit dem Honorar einverstanden sind, schließen wir einen Vertrag.


Angela Baumeister

gebürtige Düsseldorferin, mit Leib und Seele seit 2009 in eigener Kanzlei als Rechtsdienstleisterin (Versicherungsberaterin) tätig. Schwerpunkte: Berufsunfähigkeit Rentenanspruch und Invalidität. Weitere Infos? Gerne: Mehr über Angela Baumeister erfahren Oder anrufen: +49 (0)2154 9534770

4 Comments

Kerstin · 5. März 2018 at 17:25

Liebe Frau Baumeister,
vielen Dank für die Ausführungen. Ich werde es jetzt erstmal auf mich zukommen lassen und die Vorschläge der Versicherungen akzeptieren.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie die Gutachten ausfallen und ob sich beide unterscheiden. 🙂

Viele Grüße KS

    Angela Baumeister · 6. März 2018 at 09:21

    Gerne 🙂 Die Gutachten werden sich auf jeden Fall unterscheiden, da gesetzliche und private Unfallversicherungen völlig andere Entschädigungsverfahren und Bemessungskriterien haben. Einmal bekommen Sie eine MdE und einmal einen Invaliditätsgrad nach AUB.

    Das heißt 20% MdE sind nicht zwingend auch 20% Invalidität.

Cornelia · 13. März 2018 at 22:03

Guten Abend , Frau Baumeister, ich bekomme aufgrund eines Wegeunfalls (4-Teile-Oberarmfraktur) von der BG nach Gutachtenerstellung derzeit eine MdE von 30 %. Die PUV möchte nun ein Gutachten vom Medizinischen Gutachten-Institut erstellen lassen. Kann ich auf das BG-Gutachten verweisen oder muss ein neues erfolgen? Freue mich auf Ihre Antwort

    Angela Baumeister · 14. März 2018 at 09:47

    Der Versicherer kann grundsätzlich ein eigenes Gutachten verlangen.

    Befunde aus Vorgutachten sollten allerdings gewürdigt werden, so dass der Versicherungsnehmer z.B. keine doppelten Röntgenaufnahmen machen lassen muss. In diesem Fall nimmt man die Röntgenbefunde/Bilder zum neuen Gutachter mit.
    Viele Versicherer weigern sich sowieso BG-Gutachten als Basis zu nehmen, da die Bemessungskriterien bei der BG völlig anders sind. Manche lassen allerdings zu, dass bei dem BG-Gutachter ein Gutachten in Auftrag, welcher dann – ohne neue Untersuchung – seine Bewertung für die Private Unfallversicherung abgibt. Versicherer mit eigenem medizinischen Dienst, akzeptieren aber auch bisweilen BG-Gutachten und lassen den medizinischen Dienst dann „übersetzen“.

    Ob man damit immer besser fährt, lasse ich mal dahin gestellt, denn der medizinische Dienst steht auf Seiten des Versicherers und BG-Gutachter sind auch nicht immer versicherungsnehmerfreundlich und/oder kennen sich manchmal mit den Bemessungskriterien der privaten Unfall nicht genügend aus und Gutachten-Institute sind halt auch oft eher versichererfreundlich.

    Es ist daher immer eine Einzelfallentscheidung, ob man mit dem Versicherer in Diskussion tritt oder ob man die neue Untersuchung über sich ergehen lassen sollte.

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